Meine erste Workation – über Vertrauen im Dolmetschberuf und Pausen in Pink

Als ich mich vor einem Monat auf nach Rhodos zur ersten Workation meines Lebens machte, waren meine Erwartungen einerseits unfassbar freudig, andererseits einigermaßen undifferenziert:

Zehn unbekannte Frauen,

das gechillteste Hotel ever

und zwei durchgeknallte Kommunikationstrainerinnen …

… da konnte ja nicht viel schief gehen!

Die fabulösen TalkTalks Lucienne Bangura-Nottbeck und Stefanie Fehr-Hoberg hatten zum viertätigen Ladies’ Workshop nach Rhodos in die wundevolle Casa Cook eingeladen, wo man schon beim Betreten nicht anders kann, als den Schlendergang einzulegen.

Lucie und Steffi haben uns von Minute eins an mit der Beschwingtheit zweier Kirmesflummis in ein Gruppengefühl der Begeisterung und Dauerumarmtheit versetzt, um uns dann bei der Ergründung der Konzepte Vertrauen, Empathie und Achtsamkeit kompetent an die Hand zu nehmen. Und aus der Schatzkiste voller Erkenntnisse, die ich aus Rhodos mitgebracht habe, möchte ich nun gerne zwei herausgreifen und mit Euch teilen:

Dolmetschen als Vertrauensdienstleistung

Beim Storytelling zum Thema Vertrauen wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, wie stark das ganze Gefüge der Dolmetschwirtschaft von Vertrauen getragen ist:

🎧 In der Beziehung zwischen Zuhörenden/Vortragenden und Dolmetschteam:

Wer redet und gedolmetscht wird, vertraut darauf, dass wiedergegeben wird, was gesagt wird. Nicht Partei ergriffen, schöngefärbt, leichtfertig weggelassen, hinzugefügt. Dass die Dolmetscherin versteht, was gesagt wird, und nachfragt oder kennzeichnet, wenn sie oder er etwas nicht versteht. Die Kommunikationsparteien geben die sprachliche Kontrolle über die Unterhaltung ab, gehen damit ein gewisses Risiko ein und haben gleichzeitig eine positive Erwartung. Dolmetschen ist Vertrauenssache.

🤝🏻 In der Beziehung zwischen Kunden und organisierenden Dolmetschern:

Auftraggeberinnen von Dolmetschleistungen müssen darauf vertrauen können, dass die organisierende Person nur Dolmetscherinnen und Dolmetscher einsetzt, die die benötigte Dolmetschtechnik, Sprachen und Fachgebiete beherrschen sowie das Berufsgeheimnis wahren. Es liegt in der Natur der Sache, dass gerade die Sprachkompetenz oft nicht von Kundenseite überprüft werden kann, man gibt also die Kontrolle vertrauensvoll ab – auch die Organisation eines Dolmetschteams ist Vertrauenssache.

🎙️In der Beziehung innerhalb des Dolmetschteams:

In einer Dolmetschkabine sitzt man nicht nur geographisch sehr eng beieinander. Auch gedanklich kann ich bei meinen Kolleginnen immer darauf vertrauen, dass sie erahnen, bei welcher Terminologie, französischen Zahl oder Abkürzung ich Unterstützung benötige, und dass Missgeschicke oder (viel häufiger) Beinahe-Missgeschicke nicht ausgeplaudert werden.

Noch klarer und meine persönliche Vertrauensstory aus dem Workshop: Wenn wir die Vorbereitung auf einen Dolmetscheinsatz im Team aufteilen, habe ich gelernt, mich blind darauf zu verlassen, dass die Terminologie sauber recherchiert und mitunter sogar eine Zusammenfassung der Sachverhalte verlässlich erstellt ist. Die Überlegung, dass Vertrauen bedeutet, einerseits ein Risiko (falsche oder gar keine Terminologie bei Hand) zu akzeptieren, andererseits in einer grundsätzlich positiven Erwartung (ich weiß, dass die Kollegin professionell recherchiert) an die Zusammenarbeit heranzugehen, hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie besonders, aber auch wie effizient vertrauensvolle Kooperation ist. Die Dolmetschzusammenarbeit ist eben auch Vertrauenssache, und zwar für mich eine der wundervollsten der Welt.

Pause in Pink

Frauenpower in allen Farben schwebte als Supra-Motto über der gesamten Workation. Und das auf eine Art, wie sie mir einfach nur sympathisch war: Bunt, bunt und bunt, fröhlich, weiblich, schön, alles getragen von einer heiteren Grundgelassenheit. Knallbunte Flatterkleider mit bequemen Flipflops, Schlappen oder Gesundheitssandalen, das war der Look unserer Saison. Und vor diesem Panorama begann ich unweigerlich, über die Farbe Pink (oder auch Rosa in allen Nuancen) nachzudenken. “Pink stinks”, habe ich als gute Mädchenmutter gelernt. “Pink finde ich aber schön”, habe ich oft gedacht. Auf Rhodos ist mir buchstäblich vor Augen geführt worden: Pink und rosa (millenial pink!) sind längst nicht mehr die Farben der Mensch gewordenen Barbiepuppen. Sie stehen für Empowerment und lebensbejahende Weiblichkeit, oder weiblichkeitsbejahendes Leben. Gekauft.

Gleichzeitig habe ich zum Thema Achtsamkeit als meinen neuen Glücksbringergedanken mitgenommen, dass ich häufiger Pausen für mich in das normale Leben einbauen möchte. Nicht Mittags-, Kaffeetrink-, Ausruh-, Pippi- oder Quatschiquatschipausen (ganz zu schweigen von Pausen, in denen man den Garten umgräbt, Essen kocht, einkaufen geht, Kundengespräche führt, E-Mails beantwortet oder sich die Nägel lackiert), sondern Nix-Pausen. Pausen zum Niksen, wie es auf Niederländisch so schön sagt, zum Nach-Denken, zum Gedanken-flippern-lassen, zum Garnichts. Me time in Reinform.

Und da diese Pause, die ich mir öfter schenken möchte, zwar eine nach innen gekehrte, aber dennoch überaus wache und lebensfröhliche sein soll, habe ich sie für mich meine “pinke Pause” genannt.

Und wenn ich von guten Pausen bis nächstes Jahr nicht genug habe, dann bleibt zum Glück (Hurra!) immer noch Rhodos 2023 – es sind noch Plätze frei!


Über die Autorin:
Anja Rütten ist freiberufliche Konferenzdolmetscherin für Deutsch (A), Spanisch (B), Englisch (C) und Französisch (C) in Düsseldorf. Sie widmet sich seit Mitte der 1990er dem Wissensmanagement.


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5 responses to “Meine erste Workation – über Vertrauen im Dolmetschberuf und Pausen in Pink”

  1. Susanne avatar

    Hallo Anja, wir kennen uns nicht persönlich, aber ich war eine Woche nach Dir auf meiner ersten Workation und bin genauso begeistert nach Hause gekommen. Die *pinke Pause* finde ich grandios
    Herzliche Grüße
    Susanne

    1. Anja Rütten avatar

      Liebe Susanne, wie schön, Dich kennenzulernen … hoffentlich auch bald einmal persönlich, oder bei Women2Style 🙂

  2. Wolf avatar
    Wolf

    Liebe Anja, wenn ich Deinen Namen über einem Beitrag sehe, weiß ich, dass ich entweder bald schmunzle oder etwas Interessantes dazulerne, meistens beides zugleich. Ist Dir wieder gelungen! Vielen Dank! Liebe Grüße, Maria

    1. Anja Rütten avatar

      Dankeschön, liebe Maria! Zum Glück haben die meisten Dinge ja eine interessante und eine witzige Seite 🙂

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